Fernöstliche Weisheiten (4)

Wer ist blind?

Der eine andere Welt nicht sehen kann.

Wer ist stumm?

Der zur rechten Zeit nichts Liebes sagen kann.

Wer ist arm?

Der von allzu heftigen

Verlangen Gequälte.

Wer ist reich?

Dessen Herz zufrieden ist.

 

(Indisch)

Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten

(und man darf sagen: sie kannten sich gut),

 kam ihre Liebe plötzlich abhanden.

Wie andern Leute ein Stock oder Hut.

 

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,

versuchten Küsse, als ob nichts sei,

und sahen sich an und wusstetn nicht weiter.

Da weinte sie schliesslich. Und er stand dabei.

 

Vom Fenster aus konnte man Schiffe winken.

Er sagte, es wäre schon Viertel nach vier

und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. –

Nebenan übte ein Mensch Klavier.

 

Sie gingen ins kleinste Café am Ort

und rührten in ihren Tassen.

Am Abend sassen sie immer noch dort.

Sie sassen allein, und sie sprachen kein Wort

und konnten es einfach nicht fassen.

 

(Erich Kästner 1929)

 

Ein paar Bauernregeln für Frühling

Wenn die Drossel schreit, ist der Lenz nicht mehr weit.

Gibt’s im Frühjahr viel Frösche, so geraten die Erbsen. 

Im Frühjahr Spinnweben auf dem Feld gibt einen schwülen Sommer. 

Hasen, die springen, Lerchen, die singen, werden sicher den Frühling bringen. 

         Hüpfen Eichhörnlein und Finken, siehst Du schon den Frühling winken. 

Es lenzt nicht, ehe es gewintert hat.

Wie das Wetter von Frühlingsanfang bis Mitte April, wird es im Sommer sein, so Gott will.

Lerchen und Rosen bringen des Frühlings Kosen.

Frühlingregen bringt Segen.

Grasmücken, die fleissig singen, wollen uns das Frühjahr bringen.

Donner über dem kahlen Baum bedeutet kein gut Frühjahr.

Steigt der Saft in die Bäume, erwachen die Frühlingsträume

Von wilden Blümlein die roten und Spechte sind Frühlingsboten.

Viel Nebel im Frühjahr, viel Gewitter im Sommer.